Impfen? – Geschichte, Fakten, Unterschiede!

Der eigentliche Beginn des „Impfzeitalters“ wird allgemein mit der Entdeckung des ersten Pockenimpfstoffs durch Edward Jenner 1796 angesetzt.

Edward Jenner

In den folgenden Jahrzehnten wurde mit der Verbesserung dieses Impfstoffs, sowie der Entwicklung von Impfungen gegen andere weitverbreitete Infektionskrankheiten, bedeutende Fortschritte erzielt. Erst im 20. Jahrhundert entwickelte sich die routinemäßige Impfung großer Bevölkerungsgruppen zur Praxis, diente somit zum Schutz vor vielen Seuchen und führte auch zur breiten Einführung neuer Impfstoffe gegen eine Vielzahl von Krankheiten. Trotz ihrer relativen ‚Jugend‘ konnten durch die Impfung seit der Zeit von Edward Jenner am Ende des 18. Jahrhunderts die folgenden 15 schwerwiegenden Infektionskrankheiten des Menschen kontrollierbar gemacht oder ausgemerzt werden: Pocken, Diphtherie, Tetanus, Gelbfieber, Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ b Infektionen, Poliomyelitis, Masern, Mumps, Röteln, Typhus, Tollwut, Rotaviruserkrankungen und Hepatitis A und B. Es gab aber auch noch große Erfolge gegen andere, nicht so weit verbreitete Erkrankungen wie zum Beispiel FSME, Japanenzephalitis oder Infektionen mit Humanen Papillomviren (auch bekannt als HPV Impfung oder Gebärmutterhalskrebs-Impfung). Durch die Pockenimpfung kam es zur völligen Ausrottung dieser Infektionskrankheit, Fälle von Poliomyelitis konnten dank der Impfung um 99% reduziert werden und Endemische Masern, Röteln und das angeborene Röteln-Syndrom wurden ab 2010 auf dem amerikanischen Kontinent praktisch eliminiert.

Pockenvirus
Quelle: cdc

Wie funktioniert‘s Klassische und auch neue, moderne Impfstoffe basieren alle auf dem gleichen Prinzip. Mit Hilfe der Aufnahme von abgeschwächten Krankheitserregern (oder Teilen davon) in den Körper, wird eine Antikörper- und T-Zellen abhängige Immunantwort ausgelöst. Diese hat das Ziel der Immunisierung gegen den betreffenden Erreger, um so den behandelten Menschen vor einer Infektion zu schützen. Dies geschieht vereinfacht gesagt, indem der Impfstoff meist injiziert oder geschluckt wird und anschließend von sogenannten antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen wird. Diese Zellen wandern danach in die naheliegenden Lymphknoten und präsentieren Teile des Impfstoffs unseren T-Zellen, die diese Antigene erkennen können. Diese T-Zellen werden durch die Bindung an diese Antigene aktiviert und leiten damit einen weiteren Schritt zur Immunantwort ein, wodurch eine Reihe von weiteren Immunzelltypen den Erreger ebenfalls erkennen. Damit ist die Grundlage für eine umfassende und langanhaltende Schutzwirkung durch den Impfstoff im Körper aufgebaut.
Quelle: commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90409317
Heute werden 4 klassische Impfstofftypen und 2 (in der momentanen Coronakrise wichtige) neue Typen unterschieden, die aber alle diesem oben beschriebenen Prinzip folgen:
 
1) Attenuierte Lebendimpfstoffe
Ein Lebendimpfstoff besteht aus geringen Mengen funktionsfähiger Keime. Diese Krankheitserreger sind so abgeschwächt (man nennt dies attenuiert), dass sie sich zwar noch vermehren können, die Krankheit aber bei gesunden Personen mit einem funktionsfähigen Immunsystem nicht mehr auslösen können.
Diese Abschwächung basiert heute auf einer gezielten Verminderung der krankmachenden Eigenschaften (der sogenannten Virulenz) eines Krankheitserregers, wobei aber gleichzeitig die Vermehrungsfähigkeit der Erreger erhalten bleibt. Dieser Verlust mancher Eigenschaften, auch Virulenzfaktoren genannt, wird durch Mutationen der Erreger erreicht.
Ein großer Vorteil von solchen abgeschwächten Lebendimpfungen liegt darin, dass sie eine natürliche Infektion imitieren und der daraus entstehende Schutz sehr lange oder auch lebenslang anhält. Als großer Nachteil kann hier erwähnt werden, dass diese Form für immungeschwächte Personen nicht geeignet ist, da bei einer Immunschwäche die Impferreger sich zu stark ausbreiten könnten. Ein weiterer Nachteil ist, dass diese Form der Impfung durchaus auch ähnliche Beschwerden wie die eigentliche Krankheit hervorrufen kann. Dieser Fall tritt allerdings nur sehr selten auf und verläuft meist auch relativ mild. Im Vergleich zu früheren Impfstoffen sind die heutigen Lebendimpfungen sehr gut verträglich. Bekannte Vertreter solcher attenuierter Lebendimpfstoffe sind z.B: die Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln (als MMR Impfung), gegen Gelbfieber; Rotaviren oder Varizellen.
 
Andere Impfstoffformen:
Alle anderen Impfformen (siehe 2.-6.) kann man auch als Totimpfstoffe bezeichnen, da keine vermehrungsfähigen Krankheitserreger in den Impfstoffen vorhanden sind. Totimpfstoffe können im Körper schnell abgebaut werden, so dass zur Vermittlung einer effektiven und langanhaltenden Immunantwort im Normalfall mehrfach geimpft werden muss. Daher impft man nach der Erstimpfung wiederholt und in bestimmten Abständen (Auffrischungsimpfungen). Durch die wiederholte Immunisierung wird ein immunologisches Gedächtnis mittels T- und B-Zellen aufgebaut, welches eine Erkrankung verhindern kann. Um eine ausreichend starke Immunantwort zu erhalten, werden Totimpfstoffe meist auch mit immunstimulierenden Substanzen, sogenannten Adjuvantien unterstützt. Zu diesen gehören unter anderem Aluminiumsalze, verschiedene Öl in Wasser Emulsionen, Saponine und Lipopolysaccharide.
 
2) Inaktivierte Impfstoffe
Die erste und auch wahrscheinlich älteste Form von solchen ‚Totimpfstoffen‘ sind die inaktivierten Ganzpartikelimpfstoffe. Für diese Impfungen werden Viren oder Bakterien abgetötet, gereinigt und als Impfstoff verwendet. Beispiele für solche inaktivierte Impfstoffe sind der Choleraimpfstoff, der Hepatitis-A-Impfstoff, der Tollwutimpfstoff und einer der beiden Polioimpfstofftypen.
 
3) Toxoid Impfstoffe
Bei einigen schwerwiegenden Infektionen mit Bakterien wie bei Diphtherie und Tetanus, sind von den Erregern ausgeschiedene Giftstoffe (auch Toxine genannt) für einige der starken Krankheitssymptome verantwortlich. Bei Tetanus verursacht z.B. das Toxin Tetanospasmin die typischen Muskelkrämpfe. Diese Toxine lösen normalerweise im Lauf der Erkrankung auch starke Immunreaktionen aus. Das macht man sich zu Nutze, indem man durch spezielle Verfahren entgiftete und damit unschädlich gemachte Toxine, so genannte Toxoide, als Impfstoffe verwendet. Diese Impfstoffe können das Immunsystem zur Produktion von Antikörpern gegen das natürliche Toxin anregen und so als Prophylaxe von Diphtherie (Diphtherieimpfstoff) und Tetanus (Tetanusimpfstoff) sowie von Keuchhusten (Pertussisimpfstoff) verwendet werden.
 
4) Subunit-, Spalt- und Konjugat-Impfstoffe
Die 4. Gruppe von Impfstoffen besteht nur noch aus Bestandteilen von Krankheitserregern.
Der erste Vertreter dieser Gruppe sind die Teilpartikelimpfstoffe oder Spaltimpfstoffe. Hier werden Viruspartikel aufgebrochen und die entstandenen Bruchstücke der Virushülle als Impfstoff verwendet. Man bietet dem Immunsystem also mehr oder weniger große Bruchstücke des Erregers an und trainiert so eine Immunantwort, ohne dass es dabei zur Infektion mit dem Virus kommt, wodurch sie nebenwirkungsärmer als z.B. Lebendimpfstoffe sind.
Einen weiteren Schritt in der Entwicklung zu modernen Impfstoffen stellen die Subunit- oder Untereinheitsimpfstoffe dar. Hier werden nicht mehr Bruchstücke von Erregern verwendet, sondern nur mehr bestimmte Bausteine wie Proteine und Zuckerstrukturen dieser Erreger. Diese Untereinheiten werden entweder aus den Erregern selbst gereinigt oder gezielt im Labor erzeugt. Aufgrund des Fehlens anderer Bestandteile des betreffenden Keims sind die Nebenwirkungen bei dieser Art von Totimpfstoff besonders gering, aber auch die Effektivität der ausgelösten Immunantwort kann geringer ausfallen wie bei den vorher beschriebenen Impfstoffen. Vertreter dieser Gruppe sind Hepatitis-B-Impfstoffe, Humane Papillomavirus (HPV)-Impfstoffe und Typhusimpfstoffe.
Die neuesten Vertreter dieser Impfstoffklasse sind die Konjugatimpfstoffe, eine Weiterentwicklung der Subunitimpfstoffe, die sehr wirksam und gleichzeitig sehr gut verträglich sind.  
Ein konjugierter Impfstoff ist ein Impfstoff, in dem das Antigen (bestehend aus von den Erregern stammenden Proteinen oder Zuckerstrukturen) an ein Trägermolekül gebunden wird, um die Immunantwort zu verstärken.  Diese Trägermoleküle sind meist Toxoide wie das Diptherie-Toxoid oder das Tetanus-Toxoid.
Konjugierte Impfstoffe führen im Vergleich zu den unkonjugierten Subunitimpfstoffen zu einer stärkeren und länger anhaltenden Immunantwort. Daher werden sie auch insbesondere zur Impfung von Säuglingen und Kleinkindern eingesetzt. Bekannte Konjugatimpfstoffe sind die Haemophilus influenzae Typ b – und die Meningokokken-Impfung sowie unterschiedliche Pneumokokkenimpfstoffe.

Quelle: Angew. Chem. Int. Ed. 2020, 59, 18885– 18897

Vor allem jetzt in der Coronakrise haben 2 weitere Typen eine breite Aufmerksamkeit bekommen:

5) Genbasierte Impfstoffe, mRNA basierte Vakzine
Die am weitesten fortgeschrittene Variante von genetischen Impfstoffen ist die sogenannte mRNA basierte Impfung. Dabei handelt es sich ebenfalls um Impfstoffe, die keinen vollständigen Krankheitserreger enthalten. Mit Hilfe von ausgewählten genetischen Informationen des Erregers (z.B.: für das Spike Protein des SARS-CoV-2 Virus) soll der Körper dazu gebracht werden, Antigene zu bilden und so eine Immunantwort auszulösen.
Ein kurzer Exkurs: Das Erbgut wird in Form von DNA gespeichert. Um sie in Proteine umsetzen zu können, muss eine Vermittlerin, die sogenannte mRNA oder Boten-RNA gebildet werden. Diese wird anschließend in Proteine übersetzt. mRNA ist kein Bestandteil des eigentlichen Erbgutes. Eine Veränderung des Erbguts durch mRNA ist quasi ausgeschlossen.
mRNA ist ein kurzlebiges Molekül und wird nach der Umsetzung in Proteine sehr schnell abgebaut. Um die Stabilität in der Zelle zu verbessern, wird für eine Impfung die mRNA mit natürlich vorkommenden Bestandteilen leicht modifiziert.
Bei mRNA basierten Impfstoffen wird diese modifizierte virale oder bakterielle mRNA zusammen mit Hilfsstoffen in den Wirtsorganismus eingebracht. Die RNA muss dann mit Hilfe der Hilfsstoffe (typischerweise einem Lipidnanopartikel, vereinfacht gesagt einem Fett Tröpfchen, das die RNA umhüllt, vor vorzeitigem Abbau schützt und auch die Aufnahme in Zellen fördert) zuerst in einzelne Körperzellen eindringen, in Proteine umgewandelt werden und kann damit die gewünschte Immunantwort auslösen.
Momentan gibt es 2 zugelassene mRNA Impfstoffe gegen COVID-19 (BNT162b2 von Pfizer/Biontech und mRNA-1273 von Moderna entwickelt), die beide eine mRNA Kopie eines Oberflächenproteins des SARS-CoV-2 Virus (des Spike Proteins) verwenden, um einen Impfschutz gegen COVID 19 auszulösen. Es gibt hier auch kein Risiko, durch die Immunisierung eine Erkrankung auszulösen, da keine funktionellen Viruspartikel gebildet werden können. Es wurde bereits in früheren Jahren damit begonnen, mRNA-basierende Impfstoffe gegen andere Erkrankungen wie Grippe, Tollwut, Zikavirus, Cytomegalie-Virus und auch Krebs sehr intensiv zu erforschen. Einige davon wurden auch bereits erfolgreich am Menschen im Hinblick auf ihre Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit getestet, sind aber noch nicht zugelassen.

Sars-CoV-2 Virus, Spikeprotein in Rot; Quelle: cdc

6) Vektorbasierte Impfstoffe
Eine weitere Klasse von Impfstoffen sind die vektorbasierten Impfstoffe. Als Vektoren werden speziell modifizierte Viren bezeichnet die als Verpackung für die eigentlichen Erregerbestandteile (z.B: das Spike-Protein) dienen gegen die man impfen möchte.
Vektoren können selber keine Erkrankung auslösen da diese von allen krankheitsverursachenden Genen befreit wurden. Bisher wurden verschiedene Viren als Vektoren entwickelt, darunter zum Beispiel spezielle Adenovirusformen, der Masernvirus oder der Vacciniavirus.
Es gibt zwei Haupttypen von solchen Impfstoffen:
„Nicht replizierende“ Vektorimpfstoffe können zwar eine Zelle infizieren aber keine neuen Viruspartikel herstellen. Das führt nur zu einer lokalen Infektion.
„Replizierende“ Vektorimpfstoffe produzieren auch neue Viruspartikel in den von ihnen infizierten Zellen, und infizieren dann neue Zellen, die auch das Impfstoffantigen bilden.
Indem der Vektorimpfstoff Zellen infiziert und sie anweist, große Mengen an Antigen herzustellen, die dann eine Immunantwort auslösen, ahmt er eine natürliche Infektion nach. Dies hat den Vorteil, dass eine effektive Immunantwort auch ohne weitere Adjuvantien ausgelöst wird. Der Schutz könnte daher länger andauern als bei konventionellen Totimpfstoffen.
Ein Beispiel für einen viralen Vektorimpfstoff ist der Ervebo-Impfstoff gegen Ebola. Im Fall von COVID-19 gibt es einen vektorbasierten Impfstoff, AZD1222. Dieser von Astra Zeneca/Oxford University hergestellte Impfstoff basiert auf einem „nicht replizierenden“ Adenovirusvektor von Schimpansen und trägt ebenso wie die vorher beschrieben mRNA Impfstoffe die genetische Information für das SarsCoV-2 Spike Protein um einen effektiven Schutz vor COVID19 zu induzieren.

Quellen:
www.historyofvaccines.org/timeline/all
www.cdc.gov/media/subtopic/images.htm als Quelle

Persönliche Infos:
Dr. Markus Mandler, Molekularbiologe; mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Erforschung und Entwicklung verschiedener Medikamentenformate; vor allem von Impfstoffen gegen Alzheimer und Parkinson und von mRNA-basierten Medikamenten.