Rückenschmerz-Mythen – Teil 3/3

5. Bei einem Bandscheibenvorfall springt die Bandscheibe raus

Das ist aus anatomischer Sicht absoluter Nonsens. Die Bandscheibe besteht aus einem flüssigen, gallertartigen Kern und einem äußeren Ring aus kollagenen, stabilen Fasern. Werden die äußeren Fasern verletzt, kann diese gallertartige Flüssigkeit austreten. Dies nennt man einen Bandscheibenvorfall. Komprimiert das zwischen den Kollagenfasern ausgetretene Material nun das Nervengewebe, entstehen die typischen Symptome eines Bandscheibenvorfalls wie Kraftverlust, Missempfindungen oder ausstrahlende Schmerzen.

Ein Bandscheibenvorfall bleibt nicht ein Leben lang bestehen. Der eigene Körper kann die ausgetretene Flüssigkeit resorbieren. Dadurch lindern sich dann auch wieder die Symptome.

„Sie können (raus)springen, aber nicht Ihre Bandscheibe“

Physio-Freudensprung-Mythen

6. Rückenschmerzen entstehen immer nur im Rücken bzw. sind meist die Bandscheiben schuld.

Das stimmt so nicht. Es gibt zwar viele Strukturen (Bänder, Gelenkskapsel, Muskeln) die einen Schmerz im Rücken auslösen können. Allerdings können auch die Bauch- und Beckenorgane Schmerzen in den Rücken projizieren. Organe (wie zum Beispiel die Leber oder die Nieren) haben zwar keine direkte Schmerzempfindung, sie sind jedoch von einer Kapsel umhüllt bzw. an Faszien fixiert, die bei einer Reizung Schmerzen in den Rücken leiten können (Panagopoulos, Hancock, & Ferreira, 2013). Zum Beispiel kann ein Gallen- oder Nierenstein in den Rücken ausstrahlen.

Aus osteopathischer Sicht kann zum Beispiel ein Supinationstrauma (Umknöcheln) zu Beschwerden im Rücken führen, da das Gangbild durch die Verletzung verändert ist. Wird das Sprunggelenk behandelt, können die Schmerzen verschwinden.

Auch unsere Hirnhaut, welche die gesamten Nerven umhüllt, kann bei Verklebungen Schmerzen im Rücken verursachen. Diese Haut kann nach einem Sturz auf das Gesäß, einem Schlag auf den Kopf oder nach einem Kreuzstich (Periduralanästhesie) irritiert sein und ebenfalls Schmerzen im Rücken auslösen.

Interesting fact: Die Bandscheibe selbst hat keine Nervenfasern, die den Schmerz verursachen können. Nach einem Bandscheibenvorfall kommt es zu einer Gefäßeinsprossung ins geschädigte Areal, um das Wundgebiet mit Blut zu versorgen. Mit den Gefäßen gelangen auch Nerven in und um die Bandscheiben, die eventuell schmerzauslösend sein können.

6. Falsches Bücken verursacht Rückenschmerzen

„Bück dich richtig, sonst bekommst du Rückenschmerzen“. Nahezu jeder wird einmal mit diesem Satz konfrontiert. Doch das ist im Grunde ein Mythos. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Rückenschmerzen nicht alleine aus „falschem“ Bücken resultieren (Wai, Roffey, Bishop, Kwon, & Dagenais, 2010). Zwar sollte man beim Heben schwerer Lasten auf eine dem zu hebenden Gewicht und der individuellen Körperstatur angepasste Hebetechnik anwenden, doch die Aussage, dass falsches Bücken auslösend für Rückenschmerzen ist wird von der Wissenschaft nicht gestützt.

Quellen:

Panagopoulos, J., Hancock, M., & Ferreira, P. (2013). Does the addition of visceral manipulation improve outcomes for patients with low back pain? Rationale and study protocol. Journal of Bodywork and Movement Therapies, 17(3), 339–343. https://doi.org/10.1016/j.jbmt.2012.12.004

Wai, E. K., Roffey, D. M., Bishop, P., Kwon, B. K., & Dagenais, S. (2010). Causal assessment of occupational bending or twisting and low back pain: Results of a systematic review. The Spine Journal, 10(1), 76–88. https://doi.org/10.1016/j.spinee.2009.06.005