Prinzipien der richtigen Körperhaltung

Unser Körper und unsere Wirbelsäule sind so konstruiert, um problemlos aufrecht und stabil zu stehen. Durch einige Gewohnheiten, wie zum Beispiel langes Sitzen, werden diese natürlichen Fähigkeiten zunichte gemacht. Wenn Sie regelmäßig gebeugt oder überstreckt Ihre Zeit auf dem Sofa oder Sessel verbringen, werden sich Ihre Hüft- und Rumpfmuskeln versteifen oder abschalten und es wird es Ihnen unmöglich sein neutral und stabil zu stehen. (genau beschrieben in unserem Blogbeitrag Schlechte Körperhaltung und ihre Folgen)

Eine nicht korrekt ausgerichtete Wirbelsäule ist einer der am stärksten begrenzenden Faktoren für die menschliche Leistungsfähigkeit, egal ob im Alltag oder im Spitzensport. Wenn Sie Ihre Wirbelsäule also in Neutralstellung gut stabilisieren können, kann dies bedeuten Ihre wöchentliche Laufrunde schneller zu absolvieren oder den Wäschekorb ohne Angst vor dem einschießenden Schmerz zu heben…denn Ihre Rücken- und Rumpfstabilität hat nur dann Pause wenn Sie schlafen!

Hier einige Gründe, warum Sie die Neutralstellung der Wirbelsäule und die damit einhergehende Stabilisierung des Rückens und Aktivierung des Rumpfs ganz nach oben stellen sollten:

1. zum Schutz des zentralen Nervensystems

Verletzungen des zentralen Nervensystems können Ihr Leben in der Sekunde zum Erliegen bringen. Von manchen Rückenmarksverletzungen können Sie sich erholen, aber andere bringen langes Leiden und können sich unter anderem negativ auf den Schlaf, den Alltag, die Arbeit, die Sexualität, also auf Ihr Lebensglück auswirken. Als aufmerksamer Leser ahnen Sie sicher schon wie Sie dem entgegenwirken können – zum Beispiel durch das Erlernen wie man die Wirbelsäule in Neutralstellung verankert und stabilisiert.

2. für einen sicheren und ökonomischen Übergang von einer guten funktionellen Haltung in die nächste

Haltungswechsel sollten Ihre Wirbelsäule nicht verletzen. Wahrscheinlich achten Sie im Sport oder beim Heben schwerer Lasten bestmöglich auf Ihren Rücken (dies nicht zu tun wäre sowieso fatal und könnte schnell größere Schäden mit sich bringen), jedoch tun Sie dies auch bei kleinen alltäglichen Aktivitäten wie zB beim Aufstehen oder Niedersetzen? Wenn man diese scheinbar belanglosen Bewegungen ohne Wirbelsäulenausrichtung durchführt, verfestigen sich schlechte Bewegungsmuster und es fordert über Jahre hinweg ebenfalls seinen Tribut.

3. für erhöhte Mobilität und Beweglichkeit

Durch eine schlecht ausgerichtete Wirbelsäule wird das zentrale Nervensystem sich schützen, indem es den Leistungsausstoß verringert bzw verändert. Der Körper erkennt Instabilität im System als Bedrohung und verhärtet darauf die umliegende Muskulatur, um den Bewegungsradius und somit das Verletzungsrisiko einzuschränken. Überstrecken Sie beispielsweise die Lendenwirbelsäule, werden Ihre Oberschenkelmuskeln und auch Ihre Waden verhärten. Stabilisieren Sie Ihre Wirbelsäule aber in Neutralstellung, entspannen sich diese Muskeln und bringen dadurch zusätzliche Beweglichkeit.

4. Pufferfunktion bei nicht optimaler Körperhaltung

Sie müssen sich natürlich nicht wie ein Roboter ständig mit perfekt geradem Rücken bewegen, jedoch ist die verankerte Neutralstellung der Wirbelsäule eine gute Basis aus welcher Bewegungen beginnen sollten. Sie sollten sich eine gute automatische Grundhaltung aneignen, damit Ihr Körper nicht tagein tagaus mit schlechten Haltungen konfrontiert wird. Dies ermöglicht es Ihnen auch kurzfristig suboptimale Positionen zu kompensieren bzw abzupuffern.

5. für eine biomechanisch gut funktionierende Atmung

Eine gut ausgerichtete Wirbelsäule beeinflusst natürlich auch die Funktion des Zwerchfells und hat einen positiven Effekt auf Ihre Atmung. Andersrum gesagt reagiert der Körper durch eine mangelhafte Stabilisierung der Wirbelsäule mit schlechter unökonomischer Atmung. Durch eine flache Halsraumatmung kann es zur Ausschüttung von Stresshormonen kommen und es wird dadurch eine Kampf- und Fluchtsituation signalisiert. Mit einer tiefen bauchbasierten Zwerchfellatmung hingegen, gelingt es, mit Hilfe des parasympatischen Nervensystems, den Stresspegel zu senken und zu entspannen. Wenn Ihr Körper durch mangelhaft Atemtechnik über den Tag verteilt ständig Stresshormone ausschüttet, werden Sie wahrscheinlich Probleme haben abends ihre Systeme vor dem Schlafen gehen herunter zu fahren um gut einschlafen zu können. Als zusätzliches Plus entspannen sich auch Ihre Hals-, Kiefer- und Gesichtsmuskel, wenn Sie durch die Nase atmen.

Freudensprung-Atmung

Die Atmung mit stabilem Rücken als wichtiger Teil der Verankerungssequenz

Bevor ich Ihnen die Verankerungssequenz genau erkläre, möchte ich Ihnen erläutern, wie Sie mit angespanntem Rumpf atmen können. Dies ist deshalb so wichtig, da mit höherem Druck im Bauchraum und angespannter Bauchmuskulatur die Wirbelsäule wesentlich stabiler ist. Probieren Sie es kurz aus. Füllen Sie Ihren entspannten Bauch mit Luft und versuchen Sie danach den Rumpf um diesen Luftballon herum zu festigen. Schwierig, oder? Aktivieren Sie hingegen vorher Ihre Rumpfmuskulatur und versuchen danach diesen harten Zylinder maximal mit Luft zu füllen, dann spüren Sie förmlich Stabilität. Eine wirklich gute Strategie um schwer heben zu können.


Die folgende kurze Atemübung wird Ihnen helfen diese anfänglich vielleicht mühsame Neuerung zu automatisieren. Legen Sie sich dazu flach auf den Rücken, spannen Sie Ihre Gesäßmuskeln an um das Becken auszurichten und aktivieren Sie die Bauchmuskeln mit etwa 20% ihrer Maximalkraft. Legen Sie eine Hand auf den Bauch und die andere Hand auf die Brust. Atmen Sie nun in den Bauchraum. Dabei sollte sich die Hand auf Ihrem Bauch bewegen, aber nicht die Hand auf Ihrer Brust. Dies soll Ihnen zeigen das Sie auch mit aktivierten angespannten Bauchmuskeln in den Bauch atmen können. Falls Sie mehr Rumpfspannung zb beim Heben oder Tragen benötigen, sind Sie somit sofort aktionsbereit. Übernehmen Sie diese Übung bitte in Ihren Alltag und tun Sie dies bitte auch in weiterer Folge im Stehen, da die Zwerchfellatmung mit angespanntem Rumpf eine wichtige Komponente der unten angeführten Verankerungssequenz ist.

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Die stabilisierende Drehkraft in Hüften und Schultern

Unser Körper arbeitet im Stehen mit einer hocheffektiven Stabiliserungskraft. Durch Außenrotation wird in den Hüft- und Schultergelenken Stabilität erzeugt. Sie kennen dieses Prinzip seit Ihrer Kindheit. Bonbons oder Zuckerl werden gegengleich in Papier eingedreht bzw gewickelt. Dasselbe Prinzip verwenden wir zur Stabilisierung in diesen beiden obengenannten und ziemlich ähnlich aufgebauten Gelenken. Diese außenrotatorische Drehkraft (erzeugt durch die Hüften) stabilisiert nicht nur die Wirbelsäule, sondern auch Füße und Sprunggelenke. Gemeint ist jedoch nicht mit nach außen gedrehten Füßen gehen oder stehen (dies würde nämlich ihr Fußgewölbe zum kollabieren bringen und es Ihnen erheblich erschweren Ihre Gesäßmuskeln anzuspannen), sondern Ihre Füße bleiben mit den Fußspitzen geradeaus am Boden stehen. Sie drehen nur Ihre Hüften nach außen, sprich Sie generieren eine Drehkraft. Die unten angefügte Infographik wird es Ihnen noch verständlicher machen. Probieren Sie es einfach und korrigieren sie sich immer und immer wieder.

Die Schultern sind Kugelgelenke, genau wie Ihre Hüften. Beide Gelenke haben den gleichen Aufbau und somit bei den meisten Bewegungen das gleiche Stabilisierungsmuster. So wie die Stabilität im unteren Rücken erst mit der außenrotatorischen Drehkraft des Hüftgelenks vollständig ist, benötigt eine stabile Haltung von Hals und Brustkorb ebenfalls nach außen gedrehte stabile Schultern. Haltungsprobleme von Hals, Nacken und Kopf stehen in enger Verbindung zu nicht optimal ausgerichteten und nach vorne hängenden Schultern. Um Ihre Schultern gut auszurichten heben Sie die Arme seitlich auf Brusthöhe, drehen Sie die Handflächen nach oben bis die Innenseiten der Ellbogen zur Decke zeigen. Dadurch positionieren Sie Ihre Schulterblätter in guter Lage auf den Rippen und zentrieren die Oberarmköpfe besser in den Gelenkspfannen. Diese Schulterstellung sollte immer gleich bleiben, egal ob im Alltag wenn Sie telefonieren, wenn Sie am Computer schreiben, herumstehen oder auch während des Trainings. Korrigieren Sie auch diese Position immer wieder wenn sie daran denken oder sich mit nach vorne hängenden Schultern und zusammen gesunkenem Brustkorb erwischen.

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Die Verankerungsequenz – Neutralstellung der Wirbelsäule

Das Ziel dieser Verankerungssequenz ist, sie in Ihren Alltag zu integrieren. Immer wenn Sie sich in schlechter Haltung erwischen, unterbrechen Sie Ihre Tätigkeit und korrigieren Sie sich und Ihre Wirbelsäule. Auch wenn dies anfangs vielleicht mühsam erscheint, je mehr Zeit Sie dafür verwenden, desto mehr Übung bekommen Sie darin und Ihr Körper wird sich instinktiv immer besser ausrichten. Je besser Ihre Haltung wird, umso weniger oft müssen Sie diese Korrekturmaßnahme wiederholen.

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Quellen:
Dr. Kelly Starrett, Julia Starrett, Glen Cordoza: „Deskbound: Standing Up to a Sitting World“ (Victory Belt Publishing; 1. Edition (26. April 2016)