COVID-19 Lockdown: Warum Bewegung wichtig ist

Die COVID-19 Pandemie ist eine außergewöhnliche Belastung für die gesamte Weltbevölkerung. Drastische Maßnahmen wurden ergriffen um das Infektionsgeschehen zu bremsen. Reisebeschränkungen, Quarantäne, Social Distancing und regionale Lockdowns sind nur einige Beispiele, wie sich das berufliche und private Leben sehr vieler Menschen in den letzten Monaten verändert hat. Diese Veränderungen führen auch dazu, dass viele Personen deutlich mehr Zeit zu Hause verbringen. Weiters ist bekannt, dass sich die Menschen weniger und seltener bewegen und sich die Ernährung verändert hat.

Diese Veränderungen der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten bergen das Risiko andere gesundheitliche Probleme zu verstärken. Ich möchte die nächsten Zeilen nutzen um über den aktuellen Wissenstand, die möglichen Folgen und die möglichen Gegenmaßnahmen zu schreiben.

Was wir wissen

Bewegungsmangel ist einer der Hauptfaktoren für den Abbau von Muskelmasse. Selbst bei der jüngeren Bevölkerung reduziert sich das Gesamtmuskelvolumen bei einer 2-tägigen Bettruhe schon um bis zu 1,7%, nach 7 Tagen um gar schon bis zu 5,5%. Dieser Muskelschwund (s.g. Sarkopenie) ist wiederrum hauptverantwortlich für Krankheiten und Unselbstständigkeit im Alter. Wenn Menschen Muskelkraft verlieren erhöht das deren Risiko an so genannten „lifestyle diseases“ zu erkranken. Dazu zählen z.B. Diabetes mellitus Typ 2 oder Bluthochdruck.

In weiten Teilen der Welt (und auch bei uns in Österreich) war auch der Zugang zu frischen Lebensmitteln und Speisen durch den COVID-19 Lockdown im Frühjahr eingeschränkt. Vor allem die ältere und ärmere Bevölkerungsschicht, die sich ihre Speisen nicht (mehr) selbst zubereiten kann, hat/hatte Schwierigkeiten sich ausgewogen zu ernähren.

Social Distancing bzw. häusliche Isolation führten zu erhöhtem Stress- und Angstbefinden. Beide gelten als mögliche Marker für beschleunigten Muskelabbau. Diese psychologischen Belastungen könnten auch zum verstärkten Konsum von „convenience foods“ führen – Lebensmittel mit geringeren Nährstoffwerten und höherem Zucker- und/oder Fettgehalt. Der vermehrte Konsum von „convenience foods“ ist wiederum als Risikofaktor für das Entstehen der oben genannten „lifestyle diseases“ bekannt. Diese gelten wiederum als Risikofaktoren, dass man sich eher mit COVID-19 infiziert bzw. dass der Verlauf bei einer COVID-19-Erkrankung schwerwiegender ist.

Was wir vermuten

Beim Altern nimmt die Menge an Hormonen ab, die den Muskelzuwachs regulieren (z.B. Dehydroepiandrosteron DHEA, Testosteron/Östrogen, IGF-1). Man vermutet, dass Entzündungsgeschehen, wie sie z.B. auch bei einer COVID-19 Infektion auftreten, die Menge dieser Hormone reduzieren und somit auch indirekt zum Muskelabbau beitragen. Somit wäre im Fall einer COVID-19 Infektion nicht nur die Bettruhe, sondern auch die Krankheit selber ein Faktor, warum Menschen Muskelmasse verlieren könnten.

Wie bereits oben beschrieben führen unausgewogene Ernährung und wenig Bewegung zu Übergewicht und „lifestyle diseases“. Diese fördern Entzündungen und schränken die Regulierung der oben genannten Hormone ein. Somit können die Ernährungsgewohnheiten und der Bewegungsmangel im Lockdown indirekt mit der Hormonregulation und in weiterer Folge mit einem hormonell bedingten Muskelabbau in Verbindung stehen.

Das Ernährungs- und Bewegungsverhalten hat Auswirkungen auf unser Stressniveau und unsere Schlafqualität. Eine COVID-19 bezogene Studie aus Italien berichtet, dass mehr als 57% der Befragten an schlechtem Schlaf, über 32% an Verängstigung und fast 42% an hohem Stress in der Quarantäne litten. Da Essen als Bewältigungsstrategie mit Stress und Emotionen gilt könnte auch dies wechselseitig zusammenhängen.

Was wir tun können

Die WHO definiert gesundheitsfördernde Bewegung im Ausmaß von 150 Minuten pro Woche bei mittlerer Anstrengung, sowie ergänzendes Krafttraining 2 Mal pro Woche.

Das effektivste Mittel gegen Muskelschwund ist Krafttraining. Weiters hilft es die Blutwerte des Stoffwechsels und der Herzgesundheit (Blutdruck, Cholesterin, Triglyceride, HbA1c) zu verbessern. Es verbessert die Knochendichte, die Schlafqualität und die kognitiven Eigenschaften. Krafttraining stärkt das Immunsystem und schützt so vor Krankheiten und Infektionen.

In Zeiten geschlossener Fitnesscenter gilt es zu Hause aktiv zu werden. Viele Fitnesscenter (so auch Manhattan Fitness) bietet kostenlose Home-Workouts via Sozialer Medien an. Widerstandsbänder bzw. „resistance bands“ sind eine kostengünstige Alternative zu Gewichten und Trainingsmaschinen, die auch in Zeiten des Lockdowns dem Abbau von Muskelmasse effektiv gegensteuern. Es ist wichtig (wie auch beim normalen Krafttraining) bis zur Muskelerschöpfung zu trainieren. Ist der Widerstand gering wird die Wiederholungszahl höher.

Spaziergänge können in der momentanen Situation eine gute und kostengünstige Möglichkeit sein dem Bewegungsmangel und den damit verbundenen körperlichen und psychischen Folgen entgegenzusteuern.

Um Muskelabbau und dessen Folgen entgegenzuwirken ist eine eiweißreiche Kost (25-40g pro Mahlzeit) anzuraten. Bei eiweißreduzierter Kost (unter 20g pro Mahlzeit) hat 2,5g Leucin als Nahrungsergänzung bei älteren Herren auch positive Effekte auf den Muskelstoffwechsel gezeigt. Leucin hat sich hierbei auch teilweise als Vorkehrungsmaßnahme gegen Muskelabbau über längere Zeit von körperlicher Inaktivität erwiesen.

Wenn ein Krafttraining durchgeführt wird dürfte auch die Supplementierung von 5g Kreatin pro Tag positive Effekte auf die Muskelkraft bieten, vor allem bei besonders vulnerablen Bevölkerungsschichten.

Die Einnahme von langkettigen Omega-3 Fettsäuren (z.B. Fischöl) dürfte den in Verbindung stehenden Prozessen des erschwerten Muskelaufbaus durch das Altern zumindest teilweise gegenwirken. Diese Fettsäuren dürften eine positive Wirkung auf das Gemüt haben, welche durch eine Lockdown-Situation belastet wird.

Weiters wird eine ausgewogene und reichhaltige Ernährung empfohlen. Fertiggerichte oder „convenience foods“ sollten vermieden werden. Das wirkt positiv auf die Psyche und das Gemüt, welche wiederum die Schlafqualität und die Stresssituation verbessern. Durch eine verbesserte Stresssituation und erholsamen Schlaf kommt es zu weniger Heißhungerattacken und das Einhalten einer ausgewogenen Ernährung fällt leichter.

In zusammenfassenden Worten ist ein Lockdown eine drastische Maßnahme um ein Infektionsgeschehen zu bremsen. Es ist jedoch genauso wichtig, dass die Menschen in Bewegung bleiben und einen gesunden Lebensstil pflegen, damit der Lockdown nicht das Risiko für Krankheiten, Unselbstständigkeit und Pflegebedürftigkeit erhöht. Andernfalls entstünde ein gesundheitlicher Bumerangeffekt, der sich von Lockdown zu Lockdown aufschaukeln könnte.

Quelle: Kirwan, R., McCullough, D., Butler, T. et al. Sarcopenia during COVID-19 lockdown restrictions: long-term health effects of short-term muscle loss. GeroScience (2020). https://doi.org/10.1007/s11357-020-00272-3